Die 21-jährige Noemi Nikita verdient ihr Geld mit Tiktok. Die App ermöglicht einen Einblick in eine Welt der Trends, Werbedeals und Politik.
Eine junge Frau blickt in die Kamera. Sie trägt Make-up auf. Zuerst die Grundierung. Schnitt. Concealer. Schnitt. Silbernes Duct Tape um Mund, Augen und Augenbrauen. Schnitt. Es folgen Lippenstift, Mascara und Kajal. Das Ganze ist unterlegt mit einem Rap-Song.
Es handelt sich dabei um ein älteres Video der Tiktokerin Noemi Nikita. Die 21-Jährige ist in Bern aufgewachsen und verdient seit Jahren ihr Geld mit Social Media. 13,5 Millionen Menschen folgen ihr auf Tiktok. Sie gehört damit zu den erfolgreichsten Tiktokern in der Schweiz, keine Frau hat hierzulande mehr Follower.
Nur, wie Arbeit fühle sich das nicht an, erzählt Noemi Nikita im Gespräch an einem warmen Sommermorgen in Bern. «Es ist auch mein Hobby, ich mache es gerne.» Anders würde es wohl kaum gehen. Wenn Noemi Nikita erzählt, was es alles braucht, um auf Social Media erfolgreich zu sein, klingt das nach einem Arbeitspensum, das kaum zu bewältigen ist.
30 Videos pro Tag
Ihre ersten Videos habe sie bereits als Kind gedreht, erzählt Noemi Nikita. Mit 14 begann sie, die Videos auf Social Media zu teilen. «Ich merkte bereits nach dem zweiten oder dritten Video, dass mir Social Media mehr bedeutete als anderen in meinem Alter.»
Sie postete ihre Videos auf der App musical.ly – einer Plattform, die vor allem für Lip-Sync-Videos bekannt war. Beim Lip-Sync bewegt man die Lippen synchron zu einem Lied, eine Art Playback also. 2018 wurde musical.ly von der Besitzerin von Tiktok gekauft, die beiden Apps verschmolzen – anschliessend explodierten die Zahlen: Tiktok wurde zur meist heruntergeladenen App in den USA.
Noemi Nikita war früher auf Tiktok als die meisten anderen in der Schweiz. Damals zeigte eine Rangliste auf der Startseite, welche Kanäle am meisten Likes generieren. Eine gute Platzierung versprach Sichtbarkeit – und noch mehr Likes. Um sich nach vorne zu kämpfen, veröffentlichte Noemi Nikita möglichst viele Videos, bis zu 30 pro Tag. «Nach der Schule drehte ich vier Stunden lang Videos, um genügend Material zu haben.»
Schnell meldeten sich erste Musikerinnen und Musiker. Sie boten Noemi Nikita Geld dafür an, dass sie ihre Musik in ihren Videos spielt. «Ich wusste bis dahin nicht, dass man mit Tiktok Geld verdienen kann.» So ging es die ganze Schulzeit weiter. «Ich habe gut verdient und sagte mir, dass ich mich nach dem Abschluss für ein Jahr voll auf die Videos konzentriere.» Es zeigte sich, dass sich mit Social Media sehr gut leben lässt. «Seither mache ich nur noch das.»
Virtuelle Geschenke und harte Währung
Es gibt verschiedene Wege, um auf Tiktok Geld zu verdienen. In manchen Ländern können sich «Content Creators» – also jene, die Videos produzieren und hochladen – für einen Fonds bewerben, um sich ihre Inhalte finanzieren zu lassen. Dazu nötig sind mindesten 10’000 Follower. In der Schweiz ist die Funktion noch nicht verfügbar.
Zuschauerinnen und Zuschauer können den «Creators» auch Geschenke zukommen lassen – dabei handelt es sich um virtuelle Gegenstände, eine Art Emoji also. Sie lassen sich auch in richtiges Geld umtauschen. In der Schweiz lässt sich auf Tiktok aber hauptsächlich durch Kooperationen Geld verdienen – man bewirbt die Produkte oder Dienstleistungen einer Firma und erhält dafür Geld. Noemi Nikita präsentiert auf Tiktok verschiedenste Produkte, aber vor allem Make-up. «Ich werbe nur für Dinge, die ich gut finde, oder für Marken, die ich ohnehin schon benutze.» Wie viel sie damit verdient, behält sie für sich.
In einzelnen Videos stecken teilweise bis zu sieben Stunden Arbeit. Das beinhaltet Auf- und Abbau des Sets, Make-up, Aufnahme und Schnitt – die nötigen Fertigkeiten dazu hat sie sich selbst beigebracht. Die Produktion der Videos ist nur ein Teil der Arbeit. Gemeinsam mit ihrem Management verhandelt sie über Kooperationen, organisiert Liveauftritte oder andere Formen der Zusammenarbeit, beispielsweise eine Modekollektion für die Metro-Boutique.
Hinzu kommt: Auf Tiktok ist praktisch nichts planbar. Die Trends wechseln ständig. Die Kunst besteht darin, möglichst schnell zu antizipieren, welches Make-up zum nächsten Trend wird, welche Musik gefragt sein wird.
Tiktok als Versteck
Möglichst viel Aufmerksamkeit generieren – die Frau aus den Videos will nicht so ganz zur Frau passen, die an diesem Morgen in Bern Auskunft über ihren Beruf gibt. Dezent geschminkt sitzt Noemi Nikita in der Berner Altstadt, beantwortet geduldig die Fragen, schweift nicht ab, holt nicht aus und benutzt auch keine Anglizismen. Sie erzählt davon, wie sie mit 16 in die USA auswandern wollte, weil sie dort ein Management hatte. Aufhebens darum macht sie nicht.
Sie gibt wenig preis von sich, tritt nicht mit ihrem richtigen Nachnamen auf und redet in ihren Videos auch nicht über ihre Vergangenheit, Familie oder Freunde. Ihre Eltern hätten sie immer unterstützt, erzählt Noemi Nikita. Als es darum ging, ob sie eine Ausbildung macht oder sich ganz auf Social Media konzentriert, sei ihr Vater zwar etwas besorgt gewesen. «Mittlerweile ist er aber mega stolz.» Sie habe auch immer noch dieselben Freundinnen wie zu Schulzeiten.
Die zurückhaltende Art passt zu dem, was sie über ihre ersten Videos erzählt. Sie habe sich anfangs geschämt und entschied sich für Tiktok, weil es kaum jemand nutzte. «Ich konnte mich quasi verstecken.» Mittlerweile sei sie selbstbewusster geworden. «Ich wäre wohl nicht derselbe Mensch, wenn ich nicht mit den Videos auf Social Media angefangen hätte.» Sie schämt sich nicht mehr, sondern ist stolz darauf, was sie erreicht hat.
Kritik an App
Tiktok ist bei jungen Menschen beliebt – Videos gehen viral, sogenannte Challenges finden Nachahmer auf der ganzen Welt. Gleichzeitig steht die App in der Kritik. Experten kritisieren, dass der Algorithmus Jugendliche zu immer extremeren Videos verführt und ein extremes Suchtpotenzial aufweist. Ein Vorwurf, dem auch andere Plattformen ausgesetzt sind.
Speziell bei Tiktok ist die politische Komponente. Die App gehört einer chinesischen Firma und untersteht somit Chinas Nationale-Sicherheit-Gesetzgebung. Das führt nicht nur dazu, dass Tiktok im Verdacht der Spionage steht, sondern auch, dass das Regime Einfluss auf die Inhalte nimmt. Einige Länder denken deshalb über ein Verbot der App nach. Die Schweiz gehört bisher nicht dazu.
Noemi Nikita will zur Kritik an Tiktok nichts sagen. Sie sieht ihre Zukunft auf Social Media. Zumindest in den nächsten Jahren. «Ich würde gerne so weitermachen wie jetzt. Es läuft gut.» Ansonsten würde sie gerne mehr eigene Produkte herausbringen, so wie bei der Kollektion mit der Metro-Boutique. Oder eine eigene Linie mit Hautpflege oder Make-up.
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Author: Tyler Cooke
Last Updated: 1703716321
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